Posts Tagged ‘Ostbayern’

Regensburg: Das Schloss der 500 Zimmer

April 24, 2022

In Regensburg befindet sich das Schloss St. Emmeram, ein ehemaliges Bendektinerkloster, Sitz der Fürsten von Thurn und Taxis. Mit über 500 Zimmern ist es größer als der Buckingham Palace. Der Blick in den Schlosshof vermag vielleicht die Ausmaße des Areals etwas zu vermitteln, im Sommer finden hier Schlossfestspiele, im Winter, sofern es Corona-Maßnahmen zulassen, ein Weihnachtsmarkt statt. Repräsentative Teile des Schlosses mit Ballsaal, Wintergarten, verschiedenen Salons und die Schlosskapelle mit Fürstengruft sowie der Kreuzgang sind für Führungen geöffnet, die rund eineinhalb Stunden dauern. Daneben kann ständig der Marstall mit den historischen Kutschen der Begründer des europäischen Postwesens und die fürstliche Schatzkammer besucht werden. Sehenswert ist auch die fürstliche Hofbibliothek, die zur Nutzung offensteht. Im Brauhaus können selbstgebrautes Bier und bayerische Schmankerl – im Sommer auch im Biergarten -genossen werden.

Hammerschloss Röthenbach – ein Dornröschenschloss im Holzkorsett

Februar 5, 2022

Hammerschloss Röthenbach, 2012, vor dem Teileinsturz.

Hammerschloss Röthenbach, 2012, nach dem Teileinsturz.

Hammerschloss Röthenbach, 2017, mit Holzkorsett.

Seit seinem Teileinsturz bei Drainagearbeiten am 16. Juli 2012 präsentiert sich das verwaiste Röthenbacher Hammerschloss in einem aufwändigen Holzkorsett und wird wie ein Dornröschenschloss zunehmend von der Natur umwuchert. Sicher würde es auch einigen Aufwand erfordern, die eingestürzte Westseite wieder hochzumauern und auch die das Schloss umgebenden Gutsgebäude zu sanieren. Wenigstens ist das idyllisch gelegene Hammerschloss aus dem Jahr 1678 gut gesichert und verriegelt, auch gegen Einbrecher, die nur zu ihrem eigenen Unheil in die Schlossruine einsteigen könnten. Einige kunstvolle Fassadenreste auf der Rückseite des Gebäudes weisen darauf hin, dass das alte Herrenhaus, das 2007 von meiner Mutter Christine von Grafenstein an den irischen Unternehmer Raymond Grassick verkauft wurde, einmal ein wahres Schmuckkästchen gewesen sein muss, Schätze enthält es jedoch nicht mehr.

Mehr Bilder aus dem verfallenden Ortskern von Röthenbach finden sich hier.

Barocke Rustikafassade auf der Rückseite des Schlosses

Schottenportal in Regensburg

Juli 30, 2018

Das rätselhafte „Schottenportal“ der Kirche St. Jakob aus dem Jahr 1180 ist eines der bedeutendsten romanischen Baudenkmäler in Deutschland. Thematisch dreht sich die bis heute nicht in Gänze entschlüsselte Bildwelt, von der hier im Foto nur ein Ausschnitt zu sehen ist, um Himmel, Hölle und das Weltgericht. Die zwölf Menschenfiguren stellen Verbrecher und Sünder der mittelalterlichen Gesellschaft dar, denen als zwölf Ausgestoßene die Aufnahme ins Himmelreich verwehrt wird. Der Kirchenbau geht auf irische Mönche zurück, die im Volksmund „Skoten“ genannt wurden, daher wird er auch „Schottenkirche“ genannt.

Denkmalschutz mit privaten Mitteln: Auch der Steinernen Brücke wird geholfen

Dezember 20, 2012

Auch am zweiten Bauabschnitt zur Mauerwerkssanierung der Steinernen Brücke in Regensburg beteiligt sich die Deutsche Stiftung Denkmalschutz (DSD) in diesem Jahr mit 125.000 Euro. Umwelteinflüsse und der ständige Verkehrsfluss brachten das Bauwerk an seine Belastungsgrenzen, so dass die Brücke vor drei Jahren aus Sicherheitsgründen gesperrt werden musste. Das Land, die Bayerische Landesstiftung und der Regierungsbezirk Oberpfalz stellen ebenfalls Mittel für die dringend erforderlichen Baumaßnahmen zur Verfügung. Der DSD-Fördervertrag erreicht Oberbürgermeister Hans Schaidinger in diesen Tagen.

Von 1135 bis 1146 wurde in Regensburg die inzwischen älteste, teilweise noch unverändert erhaltene romanische Steinbrücke in Deutschland erbaut. Neben dem Dom ist die Steinerne Brücke über die Donau heute das bedeutendste Wahrzeichen der auch an Naab und Regen liegenden Stadt. Das Gesamtinstandsetzungsprojekt ist detailliert vom Tiefbauamt der Stadt Regensburg in mehrjähriger Planung vorbereitet und mit der amtlichen Denkmalpflege abgestimmt worden. Sogar ein Musterbauwerk auf dem städtischen Bauhof diente der Klärung von Oberflächendetails, die sich an historischen Bauplänen aus den Jahren 1863/1877 sowie einer Fotographie von 1859 orientiert.

Die aus dem Mittelalter stammende Steinerne Brücke in Regensburg ist eines von über 220 Projekten, die die in Bonn ansässige Denkmalschutz Stiftung allein in Bayern dank privater Spenden und Mitteln der GlücksSpirale, der Rentenlotterie von Lotto, fördern konnte.

BY-Regensburg-SteinerneBruecke___Linge_Deutsche_Stiftung_Denkmalschutz_2012_R0014472_e0ee60507d

Die eingehauste Steinerne Brücke – Foto: Linge/ DSD

Tempel, Ausgrabungen, Museen – Reisebilder aus Ostbayern II

Oktober 20, 2012
Reise durch Ostbayern II

Burgen, Berge und Natur – Reisebilder aus Ostbayern

April 30, 2012
Reise durch Ostbayern

Alte Heimat unter Dach und Fach

März 1, 2012

Als Kind war die Vergangenheit etwas, das in Büchern stand oder von den älteren Menschen erzählt wurde. Bei einem Besuch in der Heimat meiner Kindheit und Jugend erlebte ich jetzt die Vergangenheit am eigenen Leibe und war selbst der Zeitzeuge, der erzählen konnte, wie es früher einmal war.

Das Hammerschloss in meinem Heimatort Röthenbach bei Kohlberg hat seit 2011 ein neues Dach mit Dachgauben, die an ein Erscheinungsbild vorvergangener Zeiten angelehnt sind:

Image

Weitere Fotos aus Röthenbach:

Röthenbach

Nach über 10 Jahren stattete ich auch meiner Schulstadt Weiden wieder einen längeren Besuch ab. Das Augustinus-Gymnasium in Weiden hat ein neues Dach erhalten, um den Schülerandrang aufnehmen zu können:

Image

Das Stadtbild in Weiden hat sich im letzten Jahrzehnt kaum verändert. Es haben sich aber einige Änderungen ergeben, weil altvertraute Geschäfte und Einrichtungen geschlossen haben. Im Josefshaus, in dem ich den Abschlussball meines Tanzkurses feierte, scheint heute nicht mehr viel los zu sein. Geschlossen ist das einzige Großkaufhaus, das es in Weiden gab, der Hertie. Die Weidener pendeln seitdem verstärkt nach Nürnberg zum Einkaufen. Vom Spielzeughaus Gebr. Neumeyer ist nur ein Schriftzug geblieben. Das Café Schaller am Schlörplatz, das ich als Kind vor dem Geigenunterricht besuchte, ist einem Schülercafé gewichen. Das damals bei uns älteren Schülern am Abend beliebte Café Heinzelmann gibt es noch, dort aß ich ein Spiegelei mit Bratkartoffeln. Das franzöische Vorstadt-Café Sindersberger in der Sebastianstraße, in dem man tagsüber während der Freistunden im Augustinus leckere Hörnchen essen konnte, hat nach Insolvenz einem Kettenrestaurant Platz gemacht. Die Geschäftsräume der Buchhandlung Gollwitzer in der Türlgasse, wo ich als Kind oft schmökerte, wurden von Rosi´s Altstadt Ladl bezogen. Am Unteren Markt fielen die vielen neuen trendigen Kaffeeröstereien und Lokale auf, die es zu meiner Schulzeit noch nicht gab. Bis heute gehalten haben sich bemerkenswerterweise die verschiedenen kleinen Weidener Kinos. Geblieben ist auch das gemütliche Erscheinungsbild der Altstadt, die bajuwarische  Gelassenheit der Passanten in der Fußgängerzone und der besondere Oberpfälzer Dialekt, der mir schon bald wieder vertraut klang.

Weitere Fotos aus Weiden:

Weiden

Gemalte Geschichte in einem Stammbaum der Familie v. Grafenstein

Januar 27, 2011

 

Die Ausschnitte aus einer goßen  Stammbaum-Wandtafel für die Familie v. Grafenstein aus dem Jahr 1928 zeigen zwei Wappen. Auf der linken Seite das Wappen der Familie v. Grafenstein, auf der rechten das kurbayerische Wappen der Wittelsbacher, wie es sich Mitte des 18. Jahrhunderts präsentierte, als Johann Georg Graf, Begründer der Familie v. Grafenstein, 1758 in den Adelsstand erhoben wurde und das Recht erhielt, den Namen „von Grafenstein“ zu tragen. Unter dem Wappen der Familie von Grafenstein ist das Gut Röthenbach/Oberpfalz zu sehen, im Jahr 1928 das größte Gut der Familie. Unter dem Wittelsbacher-Wappen ist die Burg Hohenparkstein zu erkennen, die Ende des 18. Jahrhunderts abgetragen worden ist und heute nicht mehr steht. In Parkstein findet man nur noch den spektakulären 24 Millionen Jahre alten „schönsten Basaltkegel Europas“ (Alexander von Humboldt), auf dem die Burg errichtet war, und die Bergkirche St. Marien. Auf  Hohenparkstein residierten zuletzt die Verwaltung und Rechtspflege vereinenden Landrichter von Parkstein, zu denen auch Johann Georg Graf  gehörte, dem noch zwei seiner Nachkommen (sein Sohn Johann Georg  jun., geb. 1742, gest. 1823) und der Enkel Eduard, geb. 1776, gest. 1824. später Landrichter in Nabburg) nachfolgten. In seiner Eigenschaft als Landrichter von Parkstein suchte Johann Georg Graf auch um die Nobilitierung beim bayerischen Wittelsbacher-Kurfürsten Maximilian III. Joseph nach, daher wird Hohenparkstein auch auf dem Stammbaum dargestellt, der Künstler verdeutlichte so die Umstände der Nobilitierung. Nach der Abtragung der Burg residierten die Landrichter von Parkstein im Amtsschloss, das heute noch – renovierungsbedürftig –  in der Ortschaft zu finden ist. Laut Angaben im Genealogischen Handbuch des in Bayern immatrikulierten Adels trägt der schwarze Löwe der Familie v. Grafenstein einen silbernen Quader in den Pranken. In der künstlerischen Interpretation auf der Stammbaumanfertigung trägt er allerdings ein Bündel von drei Eisenschienen und erinnert damit an den Aufstieg der Familie v. Grafenstein in der vormodernen Roheisenproduktion der Eisenhammerindustrie  im 18. Jahrhundert.

Basaltkegel, ehemaliger Standort der Burg Hohenparkstein

Offensichtlich ein erzählfreudiger Künstler, der die Wandausführung des Stammbaums malte.

Leseempfehlung zu den Umständen der Nobilitierung und den Ursprüngen der Familie v. Grafenstein: http://www.weber-rudolf.de/hammergaenlas.htm

Amtsschloss in Parkstein

Amtsschloss in Parkstein

 

Aus der Geschichte der Glasindustrie: Böhmische Glasmacher, bayerische Barone und Fürther „Spiegeljuden“ verwandelten Sand in Gold

November 11, 2010

Postkarte aus Röthenbach, (Kaiserzeit), Gut (links, mit Walmdach das Hammerschloss, recht davon Schornstein, der Branntweinbrennerei, Brauerei, Landwirtschaftsgebäude), Bahnhof, Arbeiterhäuser und Glashütte

Postkarte aus Röthenbach(Kaiserzeit), Hammerschloss (links oben) und Gut, Bahnhof, Arbeiterhäuser und Glashütte

Aufgewachsen auf dem stillgelegten Gut Röthenbach/Oberpfalz entwickelte ich schon früh Interesse für Geschichte, denn eine Umgebung, die derart in die Vergangenheit weist, regt die Phantasie an, sich vorzustellen, wie es früher war, als der Ortsteil um das Gut noch belebt war. Warum wirkte jetzt die Umgebung des herrenhausartigen Hammerschlosses wie ein verlassenes Goldgäbernest, und warum wurde ein so großes Gut Ende der 1960er Jahre aufgegeben?

Auf dem Dachboden des Hammerschlosses stieß ich  zwischen Spinnweben und Staub auch auf  Relikte und Unterlagen aus der Kaiserzeit. Aus Erzählungen wusste ich, dass im Ort einmal eine Glashütte mit böhmischen Glasmachern bestanden hatte, die große Bedeutung für den Ort gehabt haben musste.  Ende der 1990er Jahre fand ich mit dem 1914 geborenen Toni Schröpf den letzten lebenden Glasmacherlehrbub, der die Röthenbachhütte noch in Betrieb gesehen hatte, er erzählte mir alte Glasmachersagen und von Glasmacherbräuchen wie dem „Schimmelkauf“: Die Glasmacher zogen dabei zur Faschingszeit mit einer Pferdeattrappe vor das Schloss und der Baron als Hüttenherr musste bieten, den Erlös vertranken die Glasmacher gleich im Wirtshaus. Mit Geschichten wie diesen füllte sich der verwaiste Ortsteil des Dorfes aus der Glashüttenzeit vor meinen Augen mit immer mehr Leben.

Die Glasmacher vor der Röthenbachhütte in den 1920er Jahren.

Die Glasmacher vor der Röthenbachhütte in den 1920er Jahren.

Mundblashütten für Glasscheiben entwickelten sich noch im Zeitalter der Industrialisierung zu großer Blüte und konnten sich in Ostbayern bis Mitte der 1920er Jahre halten. Dies hatte verschiedene Gründe: Zunächst waren die alten handwerklich versierten böhmischen Glasmacherdynastien in regionaler Nachbarschaft Ostbayerns, sie mussten nur angeworben werden und kamen als eine Art frühe Gastarbeiter mit K.u.K.-Pass in den Bayerischen und Oberpfälzer Wald. In der ostbayerischen Oberpfalz selbst gab es seit alters her eine frühindustriell-wirtschaftlich tätige Schicht, die als Unternehmer auftrat: die zum Teil adeligen Hammerherren, die in sogenannten Eisenhämmern auf vormoderne Weise Roheisen produzierten. Dieses Gewerbe kam mit der Industrialisierung unter Druck, sodass sich diese kleinindustriell tätigen Land-Magnaten nach einer neuen Erwerbsquelle umsehen mussten. An den zahlreichen Wasserläufen der Oberpfalz wurden anstelle der mit Wasserkraft betriebenen Eisenhämmer Glasschleifen und Glaspolierwerke eingerichtet. Dort wurde das von den Glashütten aus Böhmen produzierte Glas auf dem Weg zum Absatzzentrum Nürnberg veredelt. Die in der Glasveredelung tätigen Hammerherren zogen vereinzelt auch Glashütten nach, wie etwa die Familie von Grafenstein im Hammergut Röthenbach mit der Errichtung einer großen Glashütte im Jahr 1873, die auf den Bau einer Bahnstrecke von Weiden nach Nürnberg und frühen Experimenten mit Glasperlproduktion im alten Hammerwerksgebäude folgte. Der Ausbau des Eisenbahnnetzes hatte es ermöglicht, Glashütten auch etwas außerhalb der traditionellen abgelegenen Hüttenstandorten der tiefen Wälder des Bayerischen und Böhmischen Walds zu errichten, die neuen Hütten rückten nach Nordwesten in die nördliche Oberpfalz an die Bahnlinien heran, wo sie die Rohstoffe und Brennstoffe heranfahren und die Produkte zum Transport geben konnten. Problem war zunächst gewesen, dass die Wälder, die das Brennmaterial hätten liefern können, für die vormoderne Eisenindustrie weitgehend gerodet worden waren. Die Brennstofffrage wurde mit lokal in der Oberpfalz entwickelten Torfbrennöfen für Glashütten gelöst, so auch in Röthenbach. Später wurde der im Moor um Röthenbach gewonnene Torf durch aus Böhmen mit der Bahn herangefahrene Braunkohle ersetzt. Sodann braucht man für die Herstellung von Glas auch noch Sand, der in der Oberpfalz in großen Sandgruben gefördert wurde.

Der Sand wurde im Hochofen eingeschmolzen und die Glasmacher formten aus der Schmelzmasse durch Einblasen von Luft mittels Glasmacherpfeifen zunächst geschlossene Zylinder. Dies war eine unglaublich schweißtreibende Arbeit, nicht nur durch Mobilisieren der Lungenkraft, sondern auch durch das Stemmen der schweren länglichen Glaszylinder und der großen Hitze am Ofen. Der Flüssigkeitsverlust wurde seit alters her mit Bierkonsum erträglich gemacht, der aber nicht unbedingt zur Trunkenheit führte. In Röthenbach kam das Bier dazu von der Gutsbrauerei des Hüttenherrn.

Die 1905 geborene Glasmacherstochter Anna Hofmann erinnerte sich, wie sie einmal zusammen mit dem Pfarrer die Arbeit in der Hütte beobachtete. „Siehst, Nani“, sagte der Pfarrer, „diese Menschen kommen einmal alle in den Himmel!“ „Warum?“ „Weil die das Fegefeuer schon auf dieser Welt haben.“

Von den durch Aufblasen geformten Zylindern wurde die Kappe abgesprengt, sie wurden an einer Seite aufgeschnitten und plattgewalzt (gestreckt). Anschließend kamen die entstandenen Scheiben (1,3 *1,5 m) in die Glasschleifen, mit Wasserkraft betriebene Werke, wo durch Bewegung auf Steinplatten und Zugabe von Schleifsand die Unebenheiten beseitigt wurden. Dabei wurden die Glassscheiben undurchsichtig. Mit Bereiben durch Polierrot wurden sie in ebenfalls mit Wasserkraft betriebenen Polierwerken wieder durchsichtig gemacht. Die Polierarbeiter wurden durch den Polierstaub selbst rot und gingen als Rothäute durchs Leben. Das entstandene Glas kam nach Nürnberg-Fürth, wo sich zahlreiche Spiegelmacher und -Händler niedergelassen hatten. Diese waren oft Juden, weshalb damals auch – nicht abwertend – von den „Fürther Spiegeljuden“ gesprochen wurde. Die Glasscheiben wurden durch Belegen mit Quecksilber oder Silber zu Spiegeln, gerahmt und häufig exportiert.

Zwischen 1878 bis 1890 gab es eine Vervierfachung des Fürther Spiegelexports in die USA. Mancher Saloonspiegel, also diejenigen Einrichtungsgegenstände, die in keinem Westernfilm fehlen dürfen und meist bei einer Schlägerei zu Bruch gehen, könnte in Bayern produziert worden sein. Dieser Exporterfolg führte zu einem großen Boom neuentstehender Spiegelglashütten mit Mundblasverfahren. Die Röthenbacher Glashütte wurde immer wieder ausgebaut und modernisiert. Die Bevölkerung des Ortes wuchs zwischen 1864 von 121 auf 260 im Jahr 1910. Die Hütte und ihre Tochterbetriebe hatte zu ihren besten Zeiten rund 50 Beschäftigte, auch Filialbetriebe zur Veredelung in anderen Ortschaften. Glasmacher konnten als nach Stückzahlen bezahlte Facharbeiter einen gewissen Wohlstand entwickeln, der auch zum Neid der bitterarmen bäuerlichen Bevölkerung führen konnte. Im Glasarbeiterwirtshaus wurden Feste gefeiert, Zither gespielt, mit benachbarten Glasmacherclans eigene Feste gefeiert, getanzt und gesungen. Glasmacher galten als weltläufiger, selbstbewusster und unabhängiger als Gutsarbeiter, auch wenn sie mal finanziell auf dem Trockenen saßen, wenn der Hüttenofen wegen Absatzflaute nicht rauchte. „Die Glasmacherleut´sind gar lustige Herrn, und wenn Sie mal kein Geld haben, klimpern sie mit den Scherb`n“, so ging ein Spruch in der Oberpfalz. Die Bauern verfolgten hier und da auch die Fabrikherrn der Glas- und Porzellanindustrie mit Missgunst, weil sie ihnen mit besseren Arbeitskonditionen Arbeitskräfte abwerben konnten. Die Arbeiter wohnten in für damalige ländliche Verhältnisse recht großzügigen Werkswohnungen.

Hermann von Grafenstein sen. (1840 - 1902)

Hermann von Grafenstein sen. (1840 – 1902)

Der rührige Hüttengründer Hermann v. Grafenstein sen., mein Ur-Ur-Großvater, konnte mit seinen Aktivitäten in der Glasindustrie trotz aller Schwierigkeiten seinen Familienzweig auf ein Gleis zu neuem Wohlstand setzen, den seinem Sohn Hermann jun. (1874 – 1955) gelang es, mit der Glashütte als Prestigebetrieb im Rücken, in die Kaolinwerksbesitzerfamilie Rasel einzuheiraten und mit Kapital seines Schwiegervaters Eduard Rasel sein rustikales Hammerschlösschen umfassend zu sanieren und zu modernisieren, sodass es im Innern im Jugendstil allen Wohnkomfort eines großbürgerlichen Haushalts der Jahrhundertwende bot. Hermann v. Grafenstein jun. war den Zeitzeugen als überaus leutselige Persönlichkeit in Erinnerung, der wie viele Landadelige die Jagd schätzte und als sozial eingestellter Patron seine lokale Beliebtheit wahren konnte. Der wirtschaftliche Wiederaufstieg der Oberpfälzer Hammerherren durch das Umsatteln auf eine andere noch teilweise mit vormodernen Methoden arbeitenden Branche konnte jedoch nicht für immer gutgehen. Mit Beginn der 1890er zogen die USA  Zollschutz gegen die Importe hoch, sodass diese Einnahmequelle langsam versiegte. Die ebenfalls durch staatliche Maßnahmen geschützte bayerische Mundblashütten-Branche rettete sich noch einige Zeit mit massiven Marktabsprachen über die Runden. In den 1920er kam es dann zum Sterben dieser kleinen Mundblashütten, aufgrund von Konzentrationsprozessen und der Durchsetzung von mechanischen Verfahren, insbesondere durch die Verbreitung des Ziehglasverfahrens. Der Ofen in der Röthenbachhütte wurde 1928 endgültig „kaltgeschürt“. Eine jahrhundertealte Glasmachertradition ging damit im Flachglasbereich zu Ende, auch den Röthenbacher Hüttenbaronen ihr letztes industrielles Standbein unaufhaltbar verloren. Später wurde auch die Landwirtschaft auf den oft sandigen und steinigen Böden für unrentabel erklärt und die Nutzflächen an den Staatsforst verkauft. Das landwirtschaftliche Gut hat sich hier über die Jahrhunderte nur als Zweitbetrieb zur Eisen,- dann zur Glasindustrie halten können. In einem alten Hüttenstandort wie Röthenbach findet man heute noch die alten vom Menschen angestauten Weiher, die zur Energieversorgung mit Wasserkraft genutzt wurden, hier und da noch faszinierend grünbläulich schimmernde Rohglasklumpen, ein altes denkmalgeschütztes Arbeiterhaus und das nach über 80 Jahren immer noch rot gefärbte Polierwerksgebäude, das im Grundriss auf das alte Hammerwerk zurückgeht. Die Hütte selbst ist leider nach dem 2. Weltkrieg abgetragen worden.

weitere Fotos: http://www.flickr.com/photos/vongrafenstein/sets/72157625637479152/

weiterführende Lektüre: Burkhard v. Grafenstein: Die Spiegelglasindustrie in Röthenbach, in: Oberpfälzer Heimat, Bd. 51, Pressath: Verlag Bodner, 2006. Kann hier bestellt werden.