Archive for the ‘Regensburg’ Category

Internationaler Museumstag in Regensburg

Mai 10, 2024

Wie jedes Jahr im Frühling wird auch 2024 wieder der „Internationale Museumstag“ gefeiert, diesmal am Pfingstsonntag, 19. Mai 2024. Die Museen der Stadt Regensburg haben in ihren verschiedenen Häusern ein vielseitiges Angebot für Besucherinnen und Besucher aller Altersstufen parat, erläutert die Stadt in einer Pressemitteilung – genug, um einen ganzen Tag im Museum zu verbringen.

Um 11 Uhr findet eine Führung zum Donaulimes statt. Die Spuren der ehemaligen Grenze des Römischen Reichs nach Norden gehören zum UNESCO-Weltkulturerbe. In Regensburg sind gleich mehrere Stationen zu sehen: Die Führung startet am Stadtmodell am Donauufer bei der Historischen Wurstkuchl, durchquert die Altstadt und endet in der Römerabteilung im Historischen Museum. Am Nachmittag um 14 Uhr wird die Führung noch einmal wiederholt.

Um 11.30 Uhr folgt eine Führung durch das neu eröffnete document Kepler. Hier erfährt man, warum der Astronom Johannes Kepler vor 400 Jahren für die Entwicklung der modernen Naturwissenschaften wichtig war und lernt nebenbei ein mustergültig saniertes historisches Wohnhaus kennen.

Am frühen Nachmittag bietet das Historische Museum gleich mehrere Aktionen an: Ab 13 Uhr kann man an einer Führung „Regensburg im Mittelalter“ teilnehmen oder sich mit dem topaktuellen Thema „Nachhaltigkeit“ beschäftigen. Gab es etwas Vergleichbares auch schon in der Vergangenheit? Zwei Führungen um 13 Uhr und um 14.30 Uhr sowie eine interaktive Familienralley geben Auskunft.

Um 14 Uhr führt die Künstlerin Maria Maier ein letztes Mal durch ihre Ausstellung „Bis jetzt. Fotografie, Malerei, Zeichnung 1988 – 2023“ in der Städtischen Galerie im Leeren Beutel und gibt einen Einblick in ihr künstlerisches Schaffen der letzten 35 Jahre. Im Anschluss an die Führung findet in Anwesenheit der Künstlerin die Preisverleihung an die Gewinner des Kunsträtsels „Sehen – Suchen – Gewinnen“ statt.

Um 14.30 Uhr lädt das document Neupfarrplatz mit den unterirdischen Ausgrabungen zur Geschichte der mittelalterlichen jüdischen Gemeinde zum Besuch ein.
Um 16 Uhr klingt der Museumstag mit einer Führung über die hohe Kunst des Tabakschnupfens durch das document Schnupftabakfabrik aus.

Die Angebote des Internationalen Museumstags sind kostenlos. Alle Informationen im Überblick unter www.museumstag.de

Der Weltwirtschaftskrise nachgespürt

Mai 10, 2024
Kleiner Mann – was nun? Fabian Schwarz (Pinneberg) und Loes Snijders (Lämmchen) Theaterproduktion Comoedia Mundi 2023, Foto: Michael Eckstein.

Das Theaterensemble Comoedia Mundi hat wieder sein Zelt in Regensburg aufgebaut und entführt seine Gäste in die Weimarer Republik der Weltwirtschaftskrise. Der Roman „Kleiner Mann ­- was nun?“ von Hans Fallada aus dem Jahr 1932 wurde für das Theater bearbeitet und vom erfahrenen Schauspielduo Fabian Schwarz und Loes Snijders einfallsreich in Szene gesetzt. Schwarz und die aus Holland stammende Snijders sind im realen Leben verheiratet und im Stück spielen sie das Pärchen Johannes Pinneberg und Emma Mörschel (genannt „Lämmchen“), das rasch heiratet, als ein Kind, der „Murkel“, schon unterwegs ist. In bescheidenen Verhältnissen und in sich verdüsternden Zeitumständen müssen die beiden nun überleben. Pinneberg muss sich als Angestellter inmitten von Intrigen von Vorgesetzten und Kollegen behaupten und wird zweimal gefeuert, um sich letztendlich in das Millionenheer der Arbeitslosen einzureihen. Vor dem Verlust jeglicher Selbstachtung bewahrt ihn nur die Liebe zu Lämmchen.

Arbeitslosigkeit ist zwar heute nicht das große Problem, jedoch müssen viele Menschen heute wie das Ehepaar Pinneberg einst ihre Ausgaben zu Zeiten stark ansteigender Kosten, insbesondere für das Wohnen, haushälterisch planen, und „sich einmal etwas leisten zu können“ wird schmerzlich vermisst. Auch die im Stück gezeigte Schwierigkeit der Wohnungssuche sowie das Erstarken von Parteien an den politischen Rändern erscheint heute wieder aktuell.

Schwarz und Snijders musste bei der Premiere am Samstag als einzige Schauspieler auf der Bühne noch virtuos zahlreiche weitere Rollen übernehmen, die teils groteske Tragikkomik ins Spiel bringen. Von zwei Garderobenständern auf der Bühne nehmen sie sich die Hüte, um in unterschiedliche Rollen zu schlüpfen, nach fest jeder Szene, die kurzen Zwischenapplaus hervorruft, wird kurz abgedunkelt, sodass sie auch noch weitere Kleidungsstücke wechseln können. Manchmal agieren sie auch alleine auf der Bühne, die Personen, die sie ansprechen, muss man sich mit Phantasie hinzudenken, sogar ganze Häuser, deren Türklingel sie ins nichts hineingreifend betätigen. Gut verdeutlicht Schwarz auch die ständige Angst durch einen Fehler seinen Arbeitsplatz zu verlieren, während Snijders Robustizität und Bodenhaftung ihrer Figuren eindrücklich verkörpert. Es gibt auch ein wenig Klaviermusik und Snijders gibt einen deutschsprachigen Chanson als Bardame zum Besten. Anklänge an Revuetheater und Jahrmarktspektakel bieten Schwarz und Snijders, wenn sie überdies als Sprecher in feinem dunklen Zwirn durch das Stück moderieren.

Die Wanderbühne erinnert mit ihrem Zelt zwar an einen Zirkus und weckt unweigerlich entsprechende Assoziationen und Erwartungen, hat jedoch den künstlerischen Anspruch eines Theaters, das Stücke mit „Tiefgang“ und Aktualität bieten will und sogar staatlich gefördert wird. In den Jahrhunderten vor der Zeit der Errichtung fester städtischer Theater waren derartige Wanderbühnen weit verbreitet, man taucht also mit einem Besuch bei Comoedia Mundi in die Frühzeit des Theaters ein. Ein besonderes und selten gewordenes Theatererlebnis auf Holzbänken und knarrendem Bretterboden, das wie in alter Zeit sogar volksnäher und derber sein dürfte. Im traumhaften Spielplatz des Grieser Spitz auf den Donauinseln hat die Theatertruppe nebst ihren Wohnwägen sogar ein Theatercafé aufgebaut. Noch bis 25. Mai ist das Ensemble mit seinen Aufführungen in Regensburg präsent. Neben Fallada wird auch eine Aufführung für Kinder, ein Chansonabend und eine Filmvorführung über das besondere Leben einer Wanderbühne geboten.

Mein Beitrag erschien in der „Regensburger Zeitung“ vom 6.5.2024 sowie auf idowa.de. Mit freundlicher Genehmigung der Mediengruppe Attenkofer.

Braucht Regensburg eine Straßenbahn?

April 25, 2024

Die SPD hat sich jüngst in einer Delegiertenkonferenz geschlossen hinter das Projekt einer „Stadtbahn“ gestellt, womit die Wiedereinführung einer Straßenbahn in Regensburg gemeint ist, die insgesamt 1,2 Milliarden Euro kosten soll. Am 9. Juni wird über dieses Projekt zeitgleich mit der Europawahl in einem Bürgerentscheid abgestimmt. Die SPD stellt sich geschlossen hinter die „Stadtbahn“ und wirbt für ein Ja im Bürgerentscheid. Auf Regensburg Digital ist jetzt mein Bericht von Weichenstellung auf der Stadtverbandsdelegiertenkonferenz online zu lesen. Die Positionen der Stadtbahngegner sind hier zu finden.

Plenum der Stadtverbandsdelegiertenkonferenz am 21.4.2024 im Gewerkschaftshaus.

Mit KI und Robotik gegen den Arbeitskräftemangel?

April 23, 2024
Fertigungsstraße bei Infineon Regensburg mit intelligenter Robotik. Foto: Infineon

In den USA sind die ersten Robo-Taxis unterwegs, in Japan machen dem Menschen perfekt nachgebildete humanoide Robots auf sich aufmerksam und ChatGPT und viele weitere Apps künstlicher Intelligenz (KI) verblüffen sowohl Laien wie auch Experten mit ihren Fähigkeiten. 2023 ist das Jahr, in dem KI und Robotik in aller Munde sind. Während die Öffentlichkeit mit der Coronakrise beschäftigt war, haben in Regensburg Hochschulen, Unternehmen und auch die Stadt kaum bemerkt die Segel für den Aufbruch in eine neue Zeit gesetzt. Gleichzeitig schlagen Wirtschaftsverbände Alarm wegen des in naher Zukunft weiter eskalierenden Arbeits- und Fachkräftemangels. Kann KI und intelligente Robotik Teil der Lösung dieses Problems sein?

Nähert man sich dem Werkstor von Innok Robotics in Regenstauf, sieht man schon die kleinen mobilen Roboter der Firma auf dem Gelände herumfahren. Im Innern der Firmenhalle sind die Mitarbeiter in die Tüftelei an den Robotern vertieft. „Fahrzeuge“ nennt sie Vertriebsleiter Helmut Schmid auch. Mit ihren Rädern können sie sich sowohl im Innenbereich wie im Außenbereich von Firmen bewegen, im Gegensatz zu herkömmlichen Robotern, für die am Firmentor Schluss ist. Man kann sich mit den ausdauernden Arbeitsrobotern nicht wie mit ChatGPT über Sartre unterhalten, jedoch weisen auch sie Mindestmerkmale intelligenter Robotik auf: Sie verfügen über Sensorik, mit der sie ihre Umgebung wahrnehmen und wie die Robo-Taxis in den USA auf Personen und Hindernisse reagieren können, sie verfügen über Verarbeitungsfähigkeit, um Entscheidungen zu treffen, können in neue Umgebungen eingelernt werden, der Mensch kann mit ihnen interagieren, und sie arbeiten, einmal programmiert, autonom, ohne ständig vom Menschen überwacht und angeleitet werden zu müssen.

Innok Robotics bietet verschiedene Robotertypen an. Der „Induros“ ist ein Transportroboter, der Paletten befördern kann, der „Rainos“ bewässert Gräber auf Friedhöfen, der „Inspectos“ kann fotografieren und inspiziert Anlagen. Die Firma verzeichnet eine wachsende Nachfrage nach ihren Robotern, vergrößerte gerade den Mitarbeiterstamm von 15 auf 30 Angestellte, und ist dabei, die anwachsende Produktion auszulagern. Viele Unternehmen suchen schon jetzt händeringend, aber vergeblich, nach Arbeitskräften für oft ungeliebte monotone Tätigkeiten, und kommen darauf, dass die autonomen mobilen Roboter (AMR) der aufstrebenden Firma aus Regenstauf die Lösung sein könnten.

Innok Robotics wurde 2012 gegründet und produzierte zunächst im Zusammenhang von Forschung und Entwicklung für Hochschulen, erst seit drei Jahren bietet die Firma fertige Roboter für gewerbliche Kunden an. Für das Jahr 2030 peilt der nach Selbsteinschätzung europäische Marktführer in Outdoor-Robotik einen Jahresumsatz von 100 Millionen Euro an, derzeit ist der Umsatz siebenstellig. Schmid hält dies für realistisch, weil der Robotikmarkt jährlich um 50 Prozent wachse. Er beklagt allerdings auch, dass für Robotik zu wenig Wagniskapital in Deutschland zur Verfügung stehe, in China oder den USA würden zehnmal so viel in die Zukunftstechnologie investiert.

Aus Perspektive von Helmut Schmid ergibt sich ein klares Ja auf die Frage, ob Robotik dem Arbeits- und Fachkräftemangel begegnen kann: Die Robotik ist für ihn „einer der möglichen Lösungsansätze“ um dem allgemeinen Arbeitskräftemangel infolge des demografischen Wandels und dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken.

Der Einsatz von Industrierobotern ist grundsätzlich nichts Neues, aber sie werden KI-unterstützt immer intelligenter. Wie weit aber sind die großen Firmen im Raum Regensburg im Bereich KI, wofür wird sie eingesetzt und wie wird sie eingeschätzt?

KI ist in den Unternehmen „Chefsache“, daher führt der Weg sogleich zum Sprecher der Betriebsleitung von Infineon, Jörg Recklies. Seit zweieinhalb Jahren würden bei Infineon hochintelligente kollaborative Roboter eingesetzt, die Menschen nachahmen können, so Recklies. Im Bereich des Einsatzes von KI stehe Infineon in Regensburg noch am Anfang, sei aber schon in der Implementierung angelangt. KI leistet Hilfe in der vorausschauenden Instandhaltung, sagt Fehler im Produktionsprozess voraus, ist auch ein guter Helfer bei der Erfassung von Ersatzteilen und in der Erkennung von Defekten auf den Produkten. Menschen haben hier Schwierigkeiten, die ausdauernde Konzentration aufzubringen. „KI ist trennschärfer in der Klassifizierung und in der Lage, größere Datenmengen zu verarbeiten“, erläutert Recklies.

Als persönliche Einschätzung bejaht Recklies, dass KI und intelligente Robotik dem Arbeits- und Fachkräftemangel begegnen könne. Allerdings solle es nicht darum gehen, „bei der Automatisierung von Arbeitsabläufen Menschen wegzurationalisieren um des Rationalisierens willen“, sondern menschliche Arbeitskräfte an Stellen einzusetzen, wo sie effektiver wirken könnten.

Philipp Olenberg, Leiter der neugeschaffenen KI-Abteilung bei Krones, glaubt nicht, dass KI so ohne weiteres Arbeitskräfte ersetzen kann. Der Mensch werde durch KI nicht obsolet, sondern produktiver. KI sei fehlerbehaftet und bedürfe menschlicher Aufsicht. Da KI aber die Fähigkeiten von Mitarbeitern erweitere, sei denkbar, dass infolge von KI-Implementierung nicht mehr so intensiv nach bestimmten Fachkräften gesucht werden müsse. Krones selbst setzt KI schon zur Optimierung eigener Prozesse ein und wirft bereits eigene KI-gestützte Anlagen auf den Markt, wie etwa die Inspektionsmaschine Linatronic.

Bei BMW hält man menschliche Mitarbeiter nach wie vor für „das Rückgrat der Produktion“, die seit diesem Jahr in der Produktion zur Oberflächenbearbeitung eingesetzten KI-gesteuerten Roboter entlasten mit ihrer Ausdauer die Mitarbeiter, führen aber nicht zu ihrer Entlassung, versichert Christian Dürrschmidt, Pressesprecher des BMW-Werks in Regensburg. Allerdings tragen die KI-gestützten Techniken „schon jetzt dazu bei, den Bedarf an Fachkräften abzufedern“.

Möglicherweise generiert KI aber auch einen Fachkräftemangel eigener Art, denn es werden ja auch wieder neue Fachkräfte gebraucht, die mit der KI arbeiten und sie überwachen. Der IT-Leiter von Vitesco Technologies, Thomas Buck, geht davon aus, dass weltweit „85 Millionen Arbeitsplatze durch Maschinen verdrängt werden könnten“, KI aber auch „97 Millionen neue Arbeitsplätze schaffen wird“. Um sich die benötigten neuen Fachkräfte heranzuziehen, arbeiten Firmen wie Infineon und Vitesco eng mit den Regensburger Hochschulen zusammen und beteiligen sich etwa an dem Anfang des Jahrzehnts aufgelegten Dualen Bachelorstudiengang „Künstliche Intelligenz und Data Science“ an der OTH. An der Universität Regensburg wurde die Kompetenz in den Bereichen Informatik, Data Science und KI in einer neuen Fakultät, der Fakultät für Informatik und Data-Science (FIDS) gebündelt, ab Oktober starten an der Uni neue Studiengänge.

Auch in städtischen Betrieben gibt es Anfänge, KI einzusetzen, wobei der Einsatz von KI in der Stadtverwaltung selbst in der öffentlichen Diskussion kritisch gesehen wird, weiß Philipp Berr, Abteilungsleiter Wissenschaft, Technologie und Cluster im Amt für Wirtschaft und Wissenschaft, zu berichten. Jedoch hat selbst im Rechenzentrum der Regensburger Stadtverwaltung KI schon Einzug gehalten.

Die Stadt Regensburg steht dem Thema nicht reserviert gegenüber. Sie bringt vielmehr seit 2020 die verschiedenen Player im KI-Sektor, also vornehmlich Firmen und Hochschulen, für Austausch und Abstimmung in einer eigenen Initiative zusammen, die sich AIR (Artificial Intelligence Regensburg) nennt und von Berr betreut wird. Der Hightech-Standort Regensburg soll zu einem KI-Leuchtturm werden. Die Effekte von KI und intelligenter Robotik auf den Arbeitsmarkt scheinen aber schwer einzuschätzen, weil die Implementierung in den Unternehmen noch am Anfang steht und die technologische Entwicklung sehr dynamisch ist und für immer neue Überraschungen sorgt.

Eine erweiterte Fassung meines Beitrag erschien im Oktober 2023 in den Zeitungen der Mediengruppe Attenkofer und im Onetz.

Grünes Gift

April 19, 2024
Blick in den Buchbestand der Regensburger Unibibliothek aus dem 19. Jahrhundert. Foto: Grafenstein

Deutschlandweit und auch in Österreich sperren und überprüfen derzeit renommierte Großbibliotheken zigtausende Bücher, weil ihnen aufgrund neuerer Forschung bewusst geworden ist, dass sie große Bestände von Literatur aus dem 19. Jahrhundert beherbergen, in dem oft Arsenverbindungen in der Herstellung von Büchern zum Einsatz gekommen sind. Allein die Universitätsbibliothek Bielefeld zieht 60.000 Bände aus dem Verkehr. Unsere Verlagsgruppe hat nachgefragt, wie die Bibliotheken in Regensburg mit der Thematik umgehen und die von Büchern ausgehende Gefahr beurteilen, denn die geschichtsträchtige Reichs- und Bischofsstadt beherbergt nicht nur alte Gemäuer, sondern auch alte Buchschätze.

Arsen ist als eine der giftigsten Substanzen überhaupt schon seit der Antike bekannt und wurde in der Geschichte lange als beliebtes Mordgift eingesetzt, weil es sich bis ins 19. Jahrhundert nicht in den Leichen der Ermordeten nachweisen ließ. Arsen kommt auch unschädlich in der Natur und im menschlichen Körper vor, erst die Dosis macht die toxische Wirkung. Trotz seiner bekannten Giftigkeit wurde es in Form des sogenannten „Schweinfurter Grüns“ daher als Farbstoff verarbeitet und kam etwa in Tapeten des Biedermeier oder eben in der Buchherstellung zum Einsatz.

Grün war eine Modefarbe und das Arsen sollte Schädlinge fernhalten. Bald stellte man jedoch fest, dass Bewohner derart tapezierter Wohnungen schwer erkrankten, als prominentester Verdachtsfall einer solchen Tapetenvergiftung gilt der wohl an Krebs gestorbene Napoleon, aber auch Arbeitskräfte, die Produkte mit Schweinfurter Grün verarbeiteten, zeigten drastische Symptomatiken. Ende des 19. Jahrhunderts wurde im Deutschen Reich das Schweinfurter Grün daher als Farbstoff verboten. Der Umgang mit dem unter anderem krebserzeugenden Arsen unterliegt strengen Regularien wie der Gefahrstoffverordnung, die auch Bibliotheken als Arbeitgeber dazu verpflichtet, den Kontakt mit Arsen zu minimieren.

Als nicht betroffen von der Thematik schätzt sich die Stadtbibliothek Regensburg ein, da sie keine historischen Buchbestände besitzt, teilt Juliane von Roenne-Styra, Pressesprecherin der Stadt, mit. Hingegen hat die Fürst Thurn und Taxis Hofbibliothek unter der Leitung von Peter Styra Bücher bis zurück zum Mittelalter vorzuweisen, allein der historische Bestand vor 1850 zählt 105.000 Bände. Styra geht jedoch davon aus, noch keinem grün gefärbten Buch begegnet zu sein, auch wenn sich in der insgesamt 270.000 Büchern umfassenden Sammlungen „einige Bücher, die das ‚Schweinfurter Grün‘ tragen“ laut schriftlicher Auskunft befinden sollen. Diese im Wortlaut identische Auskunft gibt auch Bernhard Lübbers, Leiter der Staatlichen Bibliothek Regensburg.

Vorsicht bei alten Büchern wie bisher

Wie Styra orientiert sich Lübbers an der aktuellen Gefährdungsbeurteilung des Instituts für Bestandserhaltung und Restaurierung (IBR) der Bayerischen Staatsbibliothek. Demnach sei eine Gefährdung im Bibliotheksalltag durch Berührung mit Pigmenten des Schweinfurter Grün ausgeschlossen, sei es durch Atmung, Berührung mit der Haut oder gar Aufnahme in den Mund. Dennoch gilt: „Wie bisher ist im Umgang mit den historischen Büchern darauf zu achten, dass die Benutzungsrichtlinien deutlich und eindeutig darauf hinweisen, dass das Anlecken der Finger zum Umblättern untersagt ist.“ In diesem Hinweis der bayerischen Staatsbibliothekare scheint noch das Schreckbild aus Umberto Ecos verfilmten Roman „Der Name der Rose“ fortzuleben, in dem sich die Finger leckende Nutzer eines absichtlich mit unbekannter Substanz vergifteten Buchs qualvolle Tode sterben – ein Kultbuch in der Bibliotheksszene.

Wenig Überblick, wie viele Bücher aus dem kritischen 19. Jahrhundert sich in seinem 350.000 Bände starken Magazin überhaupt befinden, scheint auch die Bischöfliche Zentralbibliothek zu haben, Schadstoffbelastungen aus früheren Jahrhunderten in seinem umfangreichen Altbestand vor 1800 seien „bisher nicht bekannt geworden“, so der Pressesprecher des Bistums, Stefan Groß. Belastete Bücher würden – falls erforderlich – separiert und konservatorisch behandelt. Sollte bei einem Buch eine Belastung festgestellt werden, würde es nicht zur Benutzung freigegeben. Falls vertretbar, könnte eine Nutzung mit Schutzmaßnahmen gestattet werden.

Die größte Sensibilität für die Problematik scheint die größte Bibliothek der Stadt zu besitzen, die Universitätsbibliothek mit ihren 3,5 Millionen Medien. Lea Marquart leitet die Sondersammlungen mit den bis ins Mittelalter zurückreichenden historischen Beständen, die rund 100.000 Bände umfassen, davon 80.000 bis 90.000 aus dem 19. Jahrhundert. Neben dem „Schweinfurter Grün“ gab es auch in früheren Jahrhunderten Farben mit potenziell gesundheitsschädlichen Pigmentbestandteilen, so das sogenannte Auripigment in Buchschnitten aus dem 16. bis 18. Jahrhundert, weiß Marquart zu berichten.

Die UB orientiert sich in ihren eingeleiteten Maßnahmen eng an den Empfehlungen der Kommission Bestandserhaltung des Deutschen Bibliotheksverbands (dbv) vom November 2023, die auch für die UB Bielefeld handlungsanstoßend waren. Es wurde eine Arbeitsgruppe gebildet, bundesweit nach vorbildlichen Vorgehensweisen geforscht, die Arbeitsmedizin und der Sicherheitsingenieur der Universität konsultiert, Mitarbeiter informiert. Im Magazin, wo die alten Bücher ohnehin separiert gelagert werden, wird derzeit die Raumluft gemessen und es werden stichprobenartig Staubproben der alten Bände analysiert. Erste Ergebnisse werden in einigen Wochen erwartet.

Mit Hygieneauflagen sind die alten Bücher lesbar

Bis auf weiteres werden Verdachtsfälle aus den Altbuchbeständen nicht mehr zur Benutzung ausgegeben. Nutzern wird nahegelegt, die schon reichlich vorhandenen Digitalisate zu verwenden. Falls ein Nutzer aber wissenschaftlich plausibel macht, unbedingt mit alten Originalbüchern arbeiten zu müssen, ist dies weiterhin unter grundlegenden Hygieneauflagen möglich, das heißt, die alten Bücher sind nicht regelrecht „gesperrt“.

Letztlich orientiert sich auch die UB unter anderem an der Gefährdungsbeurteilung der Staatsbibliothek, die eigentlich Entwarnung gibt. Grundsätzlich gilt für bayerische Bibliotheken also eher Gelassenheit, und die Geschichte gibt der Staatsbibliothek Recht, es sind aus ihr nach den Recherchen zu diesem Artikel nämlich keine Krankheits- und Todesfälle in Folge des bloßen Lesens von Büchern bekannt, die mit Schweinfurter Grün gefärbt wurden. Und: „Der Name der Rose“ ist effektvolle Fiktion, nicht Realität.

Mein Beitrag erschien in der „Regensburger Zeitung“ 2.4.2024 und auf der Nachrichtenseite „idowa“. Mit freundlicher Genehmigung der Mediengruppe Attenkofer.

Christentum und Europa

April 19, 2024
Christian Doleschal (CSU) wollte sich vergewissern, was Europa zusammenhält. Foto: Grafenstein

Der Europageordnete Christian Doleschal (CSU) lud am 13.4.2024 (Europatag in Regensburg) zu einem „Europaforum“ in den „Leeren Beutel“ in Regensburg, um mit Bischof Rudolf Voderholzer und der ehemaligen Staatsministerin und früheren Europaabgeordneten Emilia Müller (CSU) darüber zu sprechen, was Europa zusammenhält. Mein Bericht von der Veranstaltung, der vorab in der „Regensburger Zeitung“ und auf der Nachrichtenseite „idowa“ erschien, kann hier nachgelesen werden.

Should Germany Get the Bomb?

Februar 27, 2024

Deutschland gilt als das Land der Atomkraftgegner und hat mit Abschaltung der letzten Atomkraftwerke den Ausstieg beendet. Im starken Kontrast dazu bewirkt jedoch der Großangriff Russlands auf die Ukraine und die kaum verhohlene Drohung Putins mit einem Atomschlag und dazu die Energiekrise eine Veränderung der Stimmungslage bzgl. Atomkraftwerken und Kernwaffen: Drei Viertel der Befragten sind mittlerweile nach Umfragen für eine Überprüfung des Atomausstiegs. War 2021 noch eine Mehrheit von 57 Prozent für den Abzug der in Deutschland stationierten amerikanischen Atomwaffen, war 2022 nun eine Mehrheit von 52 Prozent für deren Verbleib. Auch in der Ampel-Koalition gab es ein Umdenken.

In deutscher Politik, Medien und Sicherheitskreisen werden seit 2022 wieder Stimmen laut, die die Schaffung europäischer Atomstreitkräfte durch Zusammengehen mit Frankreich oder gar deutscher Atomstreitkräfte fordern oder thematisieren. Jüngst haben im Februar 2024 die Katarina Barley (SPD) und Christian Lindner (FDP) die Frage europäischer Atomstreitkräfte erneut aufs Tapet gebracht.
Hintergrund sind auch Verunsicherungen über die Verlässlichkeit der nuklearen Beistandsgarantie und des NATO-Verbleibs der USA, die zuletzt seit dem Hochkommen Donald Trumps aufgetreten sind und insbesondere im Hinblick, auf dessen befürchtete Wiederwahl 2024 fortbestehen, immerhin stand Trump 2018 als Präsident schon kurz davor, aus der NATO auszutreten.

Da eine Debatte mit prominenter und umfassender Beteiligung keine Nischendiskussion mehr ist, bin ich in einer wissenschaftlichen Arbeit der Frage nachgegangen und habe zu verklären versucht, was für und was gegen eine atomare Bewaffnung Deutschlands oder eine europäische Atomstreitmacht unter Beteiligung Deutschlands im Zusammengehen mit Frankreich spricht. Die immer noch aktuelle Seminararbeit aus dem Jahr 2022 ist jetzt im GRIN-Verlag unter dem Titel „Deutsche und europäische Atomstreitkräfte aus neorealistischer und historischer Perspektive“ erschienen.

Nach einer Klärung der Grundannahmen des Neorealismus nach Kenneth N. Waltz, der zur theoretischen Grundlage der vorliegenden Arbeit gemacht wird, wird zunächst untersucht, was Waltz, der sich intensiv zu Fragen atomarer Rüstung Gedanken gemacht hat, zu Perspektiven für Proliferation und für deutsche oder deutsch-französische Atomstreitkräfte (vorher-)gesagt hat. Die Geschichte wird dann auch anhand weiterer Quellen befragt: Welche Wurzeln und Vorläufer hat die aktuelle Debatte in der bundesdeutschen Geschichte? Warum hat Deutschland nie Atomstreitkräfte aufgebaut oder Alternativen zum atomaren Schutzschirm der USA in Form der Beteiligung an französischen oder europäischen Atomstreitkräften verwirklicht?

Atombombentest mit dem Codenamen „Castle Romeo“ auf dem Bikini-Atoll, 1954. Foto: NNSA

English version:

Germany is considered the land of nuclear opponents and has completed its exit with the shutdown of the last nuclear power plants. However, in stark contrast, Russia’s major attack on Ukraine and Putin’s barely veiled threat of a nuclear strike, along with the energy crisis, have caused a shift in attitudes towards nuclear power plants and nuclear weapons: Three-quarters of respondents are now in favor of reviewing the nuclear phase-out, according to surveys. While in 2021, a majority of 57 percent supported the withdrawal of American nuclear weapons stationed in Germany, by 2022, a majority of 52 percent favored their retention. Even within the Ampel Coalition, there has been a reconsideration.

Since 2022, voices have emerged again in German politics, media, and security circles advocating or discussing the creation of European nuclear forces through cooperation with France or even German nuclear forces. Recently, in February 2024, Katarina Barley (SPD) and Christian Lindner (FDP) once again brought up the issue of European nuclear forces.

This is also fueled by uncertainties about the reliability of the nuclear assistance guarantee and the USA’s NATO membership, which have arisen since the rise of Donald Trump, and particularly in light of his feared reelection in 2024. After all, Trump came close to withdrawing from NATO during his presidency in 2018.

As a debate with prominent and comprehensive participation is no longer a niche discussion, I have addressed the question in a scholarly work, examining the arguments for and against Germany’s nuclear armament or a European nuclear force involving Germany in cooperation with France. The still relevant seminar paper from 2022 has now been published by GRIN Verlag under the title „German and European Nuclear Forces from a Neorealist and Historical Perspective.“

After clarifying the basic assumptions of Neorealism according to Kenneth N. Waltz, which serves as the theoretical foundation of this work, it is first examined what Waltz, who has extensively considered issues of nuclear armament, has (previously) said about perspectives for proliferation and for German or German-French nuclear forces. History is then also explored through other sources: What are the roots and precursors of the current debate in German history? Why has Germany never built nuclear forces or realized alternatives to the nuclear umbrella of the USA in the form of participation in French or European nuclear forces?

Why is the Ukraine War a Toxic Conflict?

Januar 18, 2024

In my 2023 master’s thesis, I explore why the Ukraine War has evolved into a highly intense, prolonged, and potentially escalatory „toxic“ conflict. Without considering other variables, this is explained by categorizing the Ukraine War as an intercultural conflict according to Samuel P. Huntington’s theory of the „Clash of Civilizations.“ The thesis is now published by GRIN Verlag.

According to Huntington, a conflict is intercultural when opposing parties come from two different civilizations. Huntington identifies two forms of intercultural conflicts that can escalate into wars: fault line conflicts with intense identity ties at the borders between civilizations and core state conflicts between dominant powers from different civilizations. The thesis argues that the Ukraine War cannot be classified as a fault line conflict or war occurring at the border between two civilizations with opposing parties belonging to different civilizations. Despite the Ukraine being influenced more by Western culture than the Orthodox core state of Russia, the two countries share cultural similarities.

However, the thesis demonstrates that with a broader perspective that includes Ukraine’s supporters, an intercultural conflict in the form of a core state conflict is present. This conflict is indirectly and directly waged primarily between Russia and the core state of the West, the United States, supported by almost the entire Western world.

Additionally, the Ukraine War, especially in the relationship between Russia and Ukraine, exhibits a strong identity connection. The conflict parties extensively refer to cultural elements such as religion, language, and history. Politicians‘ speeches, as well as current publications and media coverage on the policies of both warring parties, were analyzed to provide evidence. The conclusion of the thesis warns against Western interventions in other cultural civilizations and the escalation of current war developments and tensions into a Third World War.

„The Concept of the Political“ and Its Consequences

Januar 18, 2024

My seminar paper from 2022, now published by GRIN Verlag, delves into the multifaceted repercussions, consequences, and applications of Carl Schmitt’s groundbreaking work, „The Concept of the Political“ (1932), which, in its inherent contradictions, initially surprises with a range of implications. Carl Schmitt, a constitutional law professor during the Weimar Republic and the Third Reich, is considered a classic figure in political philosophy. His role in the final phase of the Weimar Republic, with its parallels to the rise of right-wing political forces in the present, makes Schmitt’s work a subject of heightened interest.

The paper focuses on domestic politics, questioning whether Carl Schmitt was simultaneously an anti-Semite and an intellectual progenitor of the „defensive democracy“ in the Federal Republic of Germany, and whether he remains an important reference for the New Right today. A summary of the fundamental ideas of the work precedes, the most notable being that the political distinction lies between friend and foe. Regarding anti-Semitism, the paper examines Schmitt’s differentiation between personal and political enmity, exploring its implications in the context of National Socialism and even applying it to Schmitt himself. Concerning the paternity of defensive democracy, Schmitt’s writings from the Weimar Republic and the concrete implementation of his ideas in the Basic Law and in the practice of constitutional protection are scrutinized, placing his influence in the context of other advocates of this concept.

The contemporary connection of the New Right to Carl Schmitt is explored through an examination of the „Sezession“ journal, raising questions about the reasons for this enduring admiration. The paper concludes with reflections on the meaningfulness of the concept of „defensive democracy“ in light of the presented historical, intellectual, and political context.

Warum ist der Ukrainekrieg ein so toxischer Krieg?

Januar 10, 2024

In meiner Masterarbeit aus dem Jahr 2023 wird untersucht, warum sich der Ukrainekrieg zu einem toxischen Krieg hoher Intensität, langer Dauer und großer Eskalationsgefahr entwickelt hat. Dies wird bei Nichtberücksichtigung anderer Variablen dadurch erklärt, dass der Ukrainekrieg ein interkultureller Konflikt im Sinne von Samuel P. Huntingtons Theorie des „Kampfs der Kulturen“ („Clash of Civilizations“) ist. Die Arbeit ist jetzt im GRIN-Verlag erschienen.

Ein Konflikt ist Huntingtons Ansatz zufolge interkulturell, wenn Konfliktparteien aus zwei unterschiedlichen Kulturkreisen aufeinandertreffen. Huntington kennt zwei Formen interkultureller Konflikte, die zu Kriegen eskalieren können: Bruchlinienkonflikte mit intensivem Identitätsbezug an den Grenzen zwischen Kulturkreisen und Kernstaatenkonflikte zwischen dominanten Mächten verschiedener Kulturkreise. Der Ukrainekrieg lässt sich der Arbeit zufolge nicht als Bruchlinienkonflikt bzw. -krieg einordnen, der sich an der Grenze zwischen zwei Kulturkreisen zwischen zwei Konfliktparteien, die unterschiedlichen Kulturkreisen angehören, abspielt, denn die Ukraine und Russland stehen sich kulturell zu nahe, auch wenn die Ukraine als orthodoxes Land westlicher beeinflusst ist als der orthodoxe Kernstaat Russland.
Es wird jedoch wird aufgezeigt, dass bei erweiterter Betrachtungsweise, die die Unterstützer der Ukraine einbezieht, ein interkultureller Konflikt in Form eines Kernstaatenkonflikts vorliegt. Dieser wird indirekt und direkt ausgetragen hauptsächlich zwischen Russland und dem Kernstaat des Westens, den USA, denen sich fast die gesamte westliche Welt angeschlossen hat.

Daneben weist der Ukrainekrieg vor allem im Verhältnis zwischen Russland und der Ukraine einen starken Identitätsbezug auf, weil die Konfliktparteien auf kulturelle Gegenstände aus den Bereichen Religion, Sprache und Geschichte intensiv Bezug nehmen. Zum Nachweis wurden Politikerreden, aber auch aktuelle Publikationen und Medienberichterstattung über die Politiken beider Kriegsparteien ausgewertet. Am Schluss der Arbeit wird vor Interventionen des Westens in andere Kulturkreise und einer Eskalation der aktuellen kriegerischen Entwicklungen und Spannungen zu einem Dritten Weltkrieg gewarnt.

Der Campus der Universität Regensburg.