Archive for September 2020

Münster-Mauritz: Bombenentschärfung und Evakuierung glücklich geendet

September 20, 2020
Barbara Bremmer

Feuerwerkerin Barbara Bremmer, OB Markus Lewe und Ordnungsdezernent Wolfgang Heuer mit den entschärften Bomben. Foto: Presseamt Münster

Münster (SMS) Die Groß-Evakuierung in Münster konnte am Sonntag schneller als gedacht beendet werden. Schon um etwa  12.30 Uhr, weniger als fünf Stunden nach Beginn der Evakuierung, meldeten die fünf Teams des Kampfmittelbeseitigungsdienstes Westfalen-Lippe die erfolgreiche Entschärfung der letzten Fliegerbombe in der Nähe des Anne-Frank-Berufskollegs. Schon gegen 13 Uhr durften die Münsteranerinnen und Münsteraner wieder in ihre Häuser zurück.
Bei einer der größten Evakuierungen in der Geschichte des Landes sind am Wochenende in Münster 16.000 Menschen aus dem Stadtteil Mauritz evakuiert worden. Von den Maßnahmen betroffen waren unter anderem auch mehrere Senioreneinrichtungen und das St. Franziskus-Hospital. Die  Kampfmittel-Experten mussten insgesamt fünf Verdachtsstellen auf so genannte Blindgänger abklären. Bei der Freilegung stellten sich drei der fünf Verdachtspunkte als harmlos heraus. Bleche und andere Gegenstände im Erdreich hatten dort einen falschen Alarm ausgelöst.
Sowohl der Verdachtspunkt im Bereich Mauritzschule/Stiftstraße sowie der Verdachtspunkt im Bereich des Anne-Frank-Berufskollegs erwiesen sich aber als tatsächlich gefährlich. Zunächst entschärften die Experten eine 125-Kilogramm-Bombe an der Mauritzschule und  danach eine 250-Kilogramm-Bombe in der Nähe des Anne-Frank-Berufskollegs. Beide Bomben sind amerikanischen Ursprungs und wurden während des zweiten Weltkrieges über  Münster abgeworfen.
„Ich möchte den mutigen Frauen und Männern vom Kampfmittelbeseitigungsdienst meinen tiefen Dank aussprechen“, sagte Oberbürgermeister Markus Lewe, der die Evakuierungsmaßnahme von den frühen Morgenstunden an begleitet hatte und die ganze Zeit über in ständigem Kontakt mit der Feuerwehreinsatzleitung stand. „So glücklich dieser Tag heute auch endet, so deutlich macht er aber auch, wie sehr uns die Folgen des Krieges auch nach über 70 Jahren noch belasten.“ Ebenso dankte Lewe den über 1000 freiwilligen Helferinnen und Helfern der  Freiwilligen Feuerwehr, des Technischen Hilfswerkes und anderer Hilfsorganisationen, die den Einsatz zusammen mit den hauptberuflichen Kräften der Feuerwehr, der Polizei und der Stadtverwaltung vorbereitet und begleitet haben. “
Als besondere Schwierigkeit bei der Entschärfung der 250-Kilo-Bombe im Bereich des Berufskollegs erwies sich eine doppelte Zünder-Struktur: Der Sprengkörper hatte je einen Zünder an der Kopf- wie an der Fußseite. Beide mussten entfernt werden. Diese  lebensgefährliche Aufgabe hatte am Sonntag die Feuerwerkerin Barbara Bremmer übernommen. Lewe sagte ihr und ihren Kollegen: „Viel gefährlichere Berufe kann es kaum geben. Sie haben der Stadt ein Stück Sicherheit zurückgegeben. Danke, dass wir uns auf Sie verlassen durften.“

Mit Wumms in den Faschismus?

September 14, 2020
Buchcover.

Buchcover/Books on Demand.

Faschismus ist der Verlust der Menschlichkeit, dieses Fazit bleibt nach der Lektüre des neuen Polit-Scifi-Romans „Der Faschist“ des Jungautors Nikodem Skrobisz (geb. 1999) hängen. In einer nahen Zukunft nach dem Ausbruch der Corona-Pandemie schildert Skrobisz aus der Ich-Perspektive des Roman-Protagonisten Nikolas Schaber den Aufstieg einer paneuropäischen neofaschistischen Partei und den Einstieg und Aufstieg Schabers in dieser Bewegung.

Ausgangspunkt sind Wut, Verzweiflung und Rachegelüste Schabers nach einer Trennung von seiner langjährigen Freundin Anka, die ihn mit einem Schwarzafrikaner betrogen hat, und die Verelendung und der Verfall Europas. Über die Entdeckung von FashWave-Musik und die Begegnung mit einem Anführer der Faschisten in einem Fitnessstudio führt Schaber der Weg bald ins Münchener Hauptquartier der European Union of Fascists, immer tiefer liest er sich in die Literatur faschistischer Vordenker aus Geschichte und Gegenwart ein. Da Schaber über Schlüsselkenntnisse der politischen Propaganda aus einer Tätigkeit bei einer Agentur verfügt, die die Wahlkampagnen der etablierten Parteien entwickelt (Skrobisz hat selbst Kommunikationswissenschaften studiert), steigt er rasch in den engeren Zirkel der Partei ein, dabei gewöhnt er sich an immer neue kriminelle Akte, propagandistische Lügen und schließlich Gewaltausübung, die sich bis zu den Exzessen einer großen Straßenschlacht mit Linken im Zusammenhang mit einer neofaschistischen Kundgebung steigert. Nach dem endgültigen Sieg des Faschismus und fast am Gipfel seiner politischen Karriere zurückblickend auf all die Toten, die er auf seiner Spur hinterlassen hat, überkommen Schaber jedoch Skrupel und Zweifel.

Der Roman ist überaus fesselnd geschrieben, außerdem kenntnisreich, was die Geschichte und Ideologie des Faschismus anbelangt. Da die Bezeichnung als faschistisch sich als Fremdbezeichnung sehr verbreitet habe, habe er sich selbst einmal darüber in die Fachliteratur vertieft, was Faschismus wirklich bedeute, so Skrobisz, der sich selbst aber vom Faschismus distanziert. Unterhaltsame und intellektuell anregende Geschichten zu schreiben, ist der wieder mal eingelöste Anspruch der Romane und Geschichten von Skrobisz, der auch unter dem Pseudonym Leveret Pale für philosophisch inspirierte Fantasy-Literatur bekannt ist.

Die Coronakrise sei der Inspirationsfunke für dieses Werk gewesen, so Skrobisz. Und in der Tat tauchte auch real in dieser Krise wieder die Angst vor dem Faschismus auf, der wiederkehren könnte, wenn es nicht gelänge, die aktuellen wirtschaftlichen Verwerfungen zu bändigen. Auch um die Rückkehr des Faschismus zu verhindern, bringt sich der Staat mit viel „Wumms“ als wirtschaftlicher Player aktuell wieder noch weit massiver als bisher ins Spiel, dabei allerdings auch den Sozialismus wiederbelebend, der ein Teilaspekt des Faschismus war, worauf Skrobisz allerdings in seiner Fiktion nicht vertieft eingeht, wenn er auch im Auge behält, dass die Faschisten Suppenküchen für die Armen bereithalten. Selbst wenn der Faschismus aber wiederkehren sollte, wird er nicht plump unter seiner historischen Bezeichnung auftreten – dass sich die Neofaschisten im Roman selbst offen als Faschisten bezeichnen, bringt bizarre Komik ins Buch. Auch übergeht Skrobisz, dass das Zeigen des faschistischen Grußes, wie im Roman geübt, in Deutschland verboten ist und auch in Zukunft bleiben wird. Wenn sich auch der explizite Faschismus historisch erledigt hat, der Untergang Europas bleibt leider ein realistisches Zukunftsszenario, eine Verrohung der Gesellschaft ist nicht unwahrscheinlich.

Skrobisz, Nikodem: Der Faschist. 539 Seiten, 15,99 Euro, Books on Demand 2020, auch als eBook erhältlich.

Münster: Aus Kasernen werden nachhaltige Stadtquartiere

September 13, 2020

Münster (SMS) Der Aufsichtsrat der städtischen Entwicklungsgesellschaft KonvOY hat gestern (Donnerstag, 10. September) wichtige Weichen für die neuen Stadtquartiere gestellt, die auf den ehemaligen Kasernenflächen York (Gremmendorf) und Oxford (Gievenbeck) entstehen und zu einem Bevölkerungswachstum von rund 10 000 Menschen führen sollen. Zu entscheiden war, welche Bewerber zwei Grundstücksflächen auf den beiden Arealen erwerben dürfen – den Ausschlag gaben die besten Konzepte für die angestrebte Mischung aus Wohnen, Arbeiten und Gemeinschaftseinrichtungen.
Stadtbaurat Robin Denstorff ist überzeugt, dass die Zukunft der Quartiere mit diesen Planungen auf große Akzeptanz stoßen werden. Denstorff: „Die ausgewählten Konzepte werden unserem hohen Qualitätsanspruch an die neuen Quartiere absolut gerecht, insbesondere auch, weil mit diesen Planungen die Stadtteile insgesamt aufgewertet werden.“

Ergänzende Nutzungen im Gremmendorfer Stadtteilzentrum
Den Zuschlag für ein knapp 10 000 Quadratmeter großes Baufeld im York-Quartier bekam die Saarbrücker RVI GmbH mit ihren Architekturbüros ASTOC und Lorber Paul aus Köln. Deren Konzept sieht auf der Fläche sechs größere Gebäude vor. Vom Albersloher Weg aus werden hiervon künftig zwei Gebäude mit Klinkerfassade zu sehen sein. Die Erdgeschosse sind für medizinische Einrichtungen wie Arztpraxen und moderne Büros (Co-Working-Spaces) gedacht. Die Obergeschosse sollen Büroflächen anbieten. Die zum Gelände der Wohn + Stadtbau zugewandten vier Gebäude sind ausschließlich für die insgesamt 98 Wohnungen vorgesehen. Der besondere Clou: die Baukörper stehen so zueinander, dass ein Durchgang zwischen dem Quartier und dem Stadtteilzentrum Gremmendorf entsteht.

 

Oxford-Quartier

Grüner Weiler – Innenhof. Blickrichtung West. Quelle: Brewe und Merz/nightnurse – KonvOY

Neue Angebote für Wohnen in Gemeinschaft in Gievenbeck
Im Gievenbecker Oxford-Quartier war das Baufeld „Wohnen in Gemeinschaft“ ausgeschrieben, das auf die Vergabe an Baugruppen wie Wohnungsgenossenschaften abzielte. Ebenfalls einstimmig fiel die Wahl auf ein Konzept der Wohnungsgenossenschaft „Grüner Weiler eG“. Das Baufeld wird künftig durch drei Baukörper geprägt: einen so genannten Punktbau am späteren Zentral-Boulevard mit öffentlichen und gemeinschaftlichen Einrichtungen (u.a. eine „Velo-Halle“), einen „Riegelbau“ und einen „Winkelbau“, die gemeinsam einen Wohnhof umfassen. Durch diesen Innenhof entsteht durch seine multifunktionale Bespielung eine besondere Qualität im Wohnumfeld. Neben vielen sozialen, gemeinschaftlichen und inklusiven Aspekten unterscheidet sich das Konzept von austauschbaren Standard-Lösungen mit einem besonders anspruchsvollen Nachhaltigkeitskonzept: Die Zahl der Pkw-Stellplätze wird bewusst zugunsten hervorragender Bedingungen für das Fahrrad reduziert. Die Fassaden werden durch hochmoderne Photovoltaik-Elemente aufgelockert, und beim Bau der Gebäude in Massivholz- und Holzhybrid-Bauweise sollen vor allem nachhaltige Baustoffe eingesetzt werden. Denstorff: „Das Konzept von den Architekten Brewe und Merz ist maßgeschneidert. Die Architektur sieht 104 Wohnungen in sehr vielen Varianten vor, die der demographischen Entwicklung und auch den Mobilitätspräferenzen der Menschen in Münster in besonderer Weise entgegen kommt.“

Kasernen öffnen sich wieder für die Öffentlichkeit
Die beiden Quartiere sollen nach großen Fortschritten auf der Baustelle auch wieder stärker für die Öffentlichkeit sichtbar werden. „Wir freuen uns, dass wir ab sofort und nun dauerhaft wieder Besichtigungstermine möglich machen können“, kündigt KonvOY-Geschäftsführer Stephan Aumann an. Aufgrund der großen Anfrage bei den zurückliegenden Führungen werden die Rundgänge nun im wöchentlichen Turnus  immer samstags und selbstverständlich kostenlos angeboten – unter Berücksichtigung der Hygiene-und Schutzmaßnahmen, aber leider nicht barrierefrei.
Ein Buchungssystem auf den neuen Internetseiten yorkquartier.de und oxfordquartier.de ermöglicht den Zugang zu Terminen in den nächsten Wochen. „Die Bewohnerinnen und Bewohner von Gievenbeck und Gremmendorf erhalten einen zeitlichen Vorzug bei der Anmeldung“, verspricht Stephan Aumann. Durch eine Briefwurfsendung bekommen sie einen persönlichen Link zur Buchungsseite.