Posts Tagged ‘Kriegerdenkmal’

Nachschub für den Vandalismus: Das Traindenkmal findet keine Ruhe

Juli 16, 2020
Traindenkmal geschwärzt.

Das Traindenkmal wurde mit schwarzer Farbe beschmiert und geschändet, wohl ein untauglicher Versuch, die reliefartigen Inschriften unkenntlich zu machen. Foto: Grafenstein

Das alte Traindenkmal an der Promenade in der Nähe des Ludgerikreisels ist in übler Weise mit einer teerartigen Flüssigkeit und Schriftzügen beschmiert worden. Die Täter dieser Sachbeschädigung von einer Initiative „Mahnmal statt Denkmal“ brüsteten sich namentlich in der Lokalpresse mit ihrem Vorgehen gegen das Kriegerdenkmal, das, anders als in WN und MZ dargestellt, vornehmlich an Gefallene einer Nachschubeinheit im Ersten Weltkrieg erinnert. Nachträglich eingefügte Bodenplatten erinnern auch an zwei Gefallene in Südwestafrika, was den heiligen Zorn der Aktivisten erregt. Die Stadt hat mittlerweile Strafanzeige erstattet und will das Monument zeitnah reinigen lassen, so Ordnungsdezernent Wolfgang Heuer (SPD).

Der unüberlegte Aktionismus der Gruppe erregt Kopfschütteln, da der Rat der Stadt Münster erst kürzlich beschlossen hat, die zahlreichen Kriegerdenkmäler im Stadtgebiet mit erläuternden und einordnenden Tafeln zu versehen. Sicher wird bald auch das Traindenkmal mit einer Tafel versehen werden, die die aktuelle Bewertung der Ereignisse während und nach der Niederschlagung des Hereroaufstands als Völkermord wiedergibt und auch sonst auf dem neuesten historischen Stand ist. Schon jetzt kann sich der interessierte Bürger auf einer Internetseite der Stadt zuverlässig über den Kontext der Kriegerdenkmäler in der Stadt informieren.

Ratsherr Stefan Leschniok (CDU) meint: „Der Rat hat sich, wie ich finde, für ein gutes Konzept entschieden, das Geschichte nicht einfach abräumt, gleichzeitig aber auch die negativen Seiten beleuchtet. Wer das nicht akzeptieren kann und dann auch noch Straftaten begeht, der offenbart ein höchst verkümmertes Demokratieverständnis.“

Leider sind in Deutschland Kriegerdenkmäler schon seit langer Zeit und schon vor dem derzeitigen Erstarken der Black-Lives-Matter-Bewegung und dem weltweiten Sturz von Denkmälern Gegenstand aller Arten von Vandalismus. Pauschal werden deutsche Soldaten als „Kriegsverbrecher“ verunglimpft, ganz gleich, ob ihnen konkrete Kriegsverbrechen nachgewiesen werden können oder nicht, ihr Andenken soll aus der Öffentlichkeit verschwinden, so wollen es die Täter oft, so auch hier. Auch gefallene deutsche Soldaten sind aber zu Recht Teil unserer Erinnerungskultur, die allen Opfern von Krieg, Gewalt und Imperialismus gedenkt. Wahrscheinlich wird es auch bald in größerem Maßstab Denkmäler geben, die an die zivilen Opfer des Kolonialismus in einst unterworfenen Gebieten erinnern werden.

Im bundesweiten Maßstab kann man nicht sagen, dass Deutschland in unerträglicher Weise mit alten Denkmälern überfrachtet wäre, die Krieg, Nation, Kaiserzeit oder Kolonialismus rühmen. Im Zweiten Weltkrieg und danach ist vieles zerstört worden, entweder durch Bombenangriffe, weil es die Nazis eingeschmolzen haben, um daraus Kanonen zu machen, oder weil es die einrückenden Siegermächte entfernt haben. Auch in Münster stand z.B. einmal eine Kaiser-Wilhelm-Reiterstatue vor dem Schloss, die dem Rohstoffmangel der deutschen Rüstungsindustrie zum Opfer fiel.  Das Traindenkmal ist mit seinem seltenen imperialistischen bzw. kolonialen Bezug auf den Boxeraufstand und den Hereroaufstand eine echte Rarität und steht daher zu Recht unter Denkmalschutz. Mit seinem düsteren Erscheinungsbild erinnert es noch heute angemessen an das bedrückende Szenario der Schützengräben des 1. Weltkriegs. Die als überhöht kritisierbaren Inschriften, mit denen die gefallen Soldaten von ihren überlebenden Kameraden gerühmt wurden, sind ein interessantes Zeitdokument für die Bewältigungsversuche des 1. Weltkriegs in den 1920er Jahren, können aber ohnehin nur bei nahem Herantreten entziffert werden, gleich ob sie mit Farbe übergossen werden oder nicht.

Münster besitzt als einst bedeutende Garnisonsstadt zwar recht viele Kriegerdenkmäler, die zuweilen den Anstoß einer oft kritisch eingestellten Bürgergesellschaft einer großen Universitätsstadt erregen, jedoch kann man dieser auch zumuten, verständig und nicht vandalistisch oder bilderstürmerisch mit der Geschichte umzugehen.

Denn wer die Geschichte vergisst, ist dazu verdammt, sie zu wiederholen.

Für die einen Kriegerdenkmäler, für die anderen Steine des Anstoßes

April 23, 2019

Farbbeschmierungen am häufig kritisierten Dreizehner-Denkmal. Foto: Stadt Münster/ Fritz von Poblotzki

Münster (SMS) Kein Jahrhundert brachte so viele Denkmäler hervor wie das 20. Jahrhundert. Auch in Münster und Umgebung prägte sich eine Gedenklandschaft mit zahlreichen Kriegerehrenmalen aus, die überwiegend nach dem Ersten Weltkrieg entstanden sind. Sie dienten der ehrenden Erinnerung an gefallene Soldaten. Ihre Erinnerungsmotive werden heute kritisch hinterfragt.
Max Twickler vom Institut für Didaktik der Geschichte der Universität Münster blickt am nächsten Themenabend des Stadtarchivs auch über Münster hinaus und führt in die Entwicklung der Kriegerdenkmalskultur in Deutschland ein. Im Mittelpunkt stehen dabei die Weimarer Jahre. Daneben geht es um die identitätsstiftende Funktion der Ehrenmale zum Zeitpunkt ihrer Setzung.
Wie stellen wir uns heute zu den Erinnerungsmotiven der Kriegerehrenmale? Welche Rolle spielen sie in der heutigen geschichtskulturellen Auseinandersetzung? Fragen, zu denen Denkanstöße gegeben werden sollen.
Im Kern befasst sich der Referent mit der münsterschen Denkmallandschaft und ihren Veränderungen. Er konzentriert sich dabei auf die Debatte um die steinernen Erinnerungsorte in Münster, wobei auch die Rolle verschiedener Gremien der Stadtpolitik angesprochen wird. Anhand themenbezogener Geschichten aus dem Münsterland zeigt Twickler Möglichkeiten des künftigen Umgangs mit den steinernen Zeugen ihrer Zeit auf und erläutert, wie sich die einzelnen Vorgehensweisen begründen lassen. Eine Diskussion schließt sich an.
Info: Der Themenabend beginnt am Donnerstag, 25. April, um 18 Uhr im Stadtarchiv, An den Speichern 8. Um Anmeldung wird gebeten per E-Mail an archiv@stadt-muenster.de oder unter Tel. 02 51/4 92-47 01. Detaillierte Informationen zu den Kriegerdenkmälern, Mahnmalen und Kriegsgräberstätten im Stadtgebiet von Münster finden sich im Stadtnetz unter www.stadt-muenster.de/kriegerdenkmale/startseite

Münsters Kriegerdenkmäler im Internet

September 9, 2018

Münster (SMS) „Es gibt nichts auf der Welt, was so unsichtbar wäre wie Denkmäler. Sie werden doch zweifellos aufgestellt, um gesehen zu werden, ja geradezu, um die Aufmerksamkeit zu erregen“, so beschrieb der Schriftsteller Robert Musil im Jahr 1927 seine Einstellung zu Denkmälern. Dies gilt auch heute noch für einige Denkmäler in Münster. Das Kriegerdenkmal am Mauritztor kann dagegen schon aufgrund seiner Größe kaum übersehen werden. Dennoch: wann ist es entstanden, wer hat es angeregt und wie dachten die Münsteraner über dieses mächtige Exemplar?
Antworten auf Fragen wie diese bietet ein neues stadtgeschichtliches Angebot des Stadtarchivs im Internet. Es gibt einen Überblick über die Denkmallandschaft Münsters. Alle im öffentlichen Raum vorhandenen Gedenktafeln, Ehrenmale, Kriegerdenkmale, Mahnmale und Kriegsgräberstätten sind darin nach einem einheitlichem Raster erfasst und beschrieben.
Die neue Website bietet die Möglichkeit, einen Einblick in die geschichtlichen Hintergründe und kurz gefasste Informationen als ersten Ansatzpunkt einer Beurteilung der Denkmäler zu erhalten.  Das in Kooperation mit der Online-Redaktion des Presse- und Informationsamtes entstandene Angebot findet sich ab sofort unter www.stadt-muenster.de/kriegerdenkmale.
Die Internetpräsentation geht über die vom Stadtarchiv 2013 vorgestellte gedruckte Dokumentation „Erinnern im öffentlichen Raum. Kriegerdenkmäler – Ehrenmale – Mahnmale und Kriegsgräberstätten in Münster“ hinaus und erfasst auch die seitdem eingeweihten Gedenkobjekte. Außerdem weicht es in der Einteilung der Denkmäler insofern ab, als zwei neuen Rubriken „Erinnern nach 1945“ und „Erinnern nach 2000“ in rein chronologischer Gliederung nach Datum der Einweihung entstanden sind.
Möglichst alle Krieger-Denkmäler, Erinnerungs- und Gedenkorte sowie Grabstätten und Friedhöfe, die in Zusammenhang stehen mit kriegerischen, gewaltvollen Auseinandersetzungen und Ausgrenzungen, ihren Opfern und Folgen, wurden systematisch erfasst, eingeordnet und einheitlich beschrieben. Dabei erfuhr auch die öffentliche Wahrnehmung der Gedenkorte in Ansätzen Beachtung. Denn die Interpretation eines Denkmals kann sich durchaus ändern; wie auch das Denkmal selbst, etwa durch das Anbringen ergänzender Texttafeln.
Für alle Erinnerungsmale ist gefragt worden, mit welcher Motivation sie errichtet wurden, wer sie initiiert und wer sie wie gestaltet hat. Auch den geschichtlichen Hintergründen widmet  sich das neue Angebot des Stadtarchivs.
Um in diese Sammlung aufgenommen zu werden, muss ein Denkmal oder Mahnmal an gefallene Soldaten oder zivile Opfer von Kriegen, von regime- und kriegsbedingtem Terror und Gewalt erinnern. Ebenfalls erfasst wurden Denkmäler, die als Mahnungen zum friedlichen Zusammenleben aufgefasst werden können. Formen des Gedenkens innerhalb weltlicher und kirchlicher Gebäude sind nicht erfasst worden.

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Das Kriegerehrenmal am Mauritztor ist ein Beispiel aus dem neuen Internetangebot des Stadtarchivs. Es wurde 1909 eingeweiht und soll an die Gefallenen der deutschen Einigungskriege erinnern. Foto: Stadtarchiv Münster

Kriegerdenkmäler in Münster: Bildersturm nach dem Schildersturm?

Februar 19, 2018

Foto: Grafenstein

Münster hat in der jüngsten Vergangenheit eine heftige Debatte um die Umbenennung des Hindenburgplatzes in  Schlossplatz erlebt. Nach den Straßenschildern aus vergangenen Zeiten haben die Fraktionen von CDU, SPD und Grünen in der Bezirksvertretung Mitte nun neue Steine des Anstoßes entdeckt: Die vielen Kriegerdenkmäler in Münster, die noch aus der Vergangenheit als bedeutende Garnisonsstadt stammen. Eine Diskussion um den Umgang mit diesen Relikten der Vergangenheit soll nun entfesselt werden, droht nach dem Schildersturm gegen Straßenschilder nun ein Bildersturm gegen Monumente und Standbilder?

Die Linkspartei versteigt sich zu dem verrückten Vorschlag, umstrittene Monumente abzutragen und auf einem Denkmalfriedhof der Stadt endzulagern. Das dürfte bei dem Kriegerdenkmal am Mauritztor, das an die Gefallenen der Einigungskriege 1864 – 1871 erinnert, ein ziemlicher Kraftakt werden, denn es hat einen Umfang von 23 Metern. Seit 1909 steht es da: trutzig, klotzig, Stein gewordener Zeitgeist. Auf den Reliefs sind Krieger und trauernde Frauen zu sehen, wegen der vielen nackten Haut bekam das Heldengrab im Volksmund den Namen „Schinken-Denkmal“ verpasst. Das dramatische von Bernhard Frydag geschaffene Denkmal war aber durchaus ernst gemeint, als es mit einer nationalen Feier, mit Fahnen und Schellenbaum eingeweiht wurde. Oberbürgermeister Max Jungeblodt sah die Aufgabe dieses städtischen Denkmals darin, „den Helden, die für Deutschlands Ehre kämpften und starben, im edelsten Sinne nachzueifern.“ Von Deutschlands Ehre und Helden wird man heute in der Stadt des Westfälischen Friedens wohl nichts mehr wissen wollen. Trotzdem haben die Denkmäler ihre Existenzberechtigung, weil sie an frühere Kriege erinnern und das Geschichtsbewusstsein wachhalten. Ob nun alle Denkmäler mit erläuternden Hinweistafeln versehen werden müssen, sei dahingestellt, denn auch das Internet kann mittlerweile zur Erklärung einzelner Denkmäler viel beitragen.

Auf der alten Fotografie von der Einweihung mit Honoratioren, Pickelhauben und Verbindungsstudenten erkennt man, dass das Denkmal ursprünglich noch einen kleinen Aufbau auf seinem Dach hatte, der heute fehlt.  Foto: Stadtarchiv Münster

Münster: ein altes Kriegerdenkmal inmitten der Skulptur-Projekte 2017

Juni 26, 2017

Train-Denkmal

Kriegerdenkmäler, die an deutsche Gefallene des Ersten oder Zweiten Weltkrieges erinnern, haben in der Gegenwart keinen leichten Stand mehr: Die Toten, an die häufig namentlich erinnert wird, sind oft vergessen und linke Gruppierungen schänden die Denkmäler in ihrem Hass auf die Vorfahren mit Schmierereien. Historische Denkmäler lassen sich allgemein für die Nachwelt oft nur noch schwer erschließen, etwa wegen der altertümlichen Sprache, die sie verwenden. In Münsters Promenade steht noch das alte Train-Denkmal. Train (frz.) ist das alte Wort für die militärischen Nachschubtruppen. Das Denkmal wurde 1925 vom Traditionsverein des westfälischen Trainbataillons Nr. 7 errichtet und erinnert an die Gefallenen der Einheit im Ersten Weltkrieg. 1928 wurde seitlich noch Tafeln in den Boden eingelassen, die auch an zwei (!) Gefallene der Einheit im Kolonialkrieg 1904-1907 in Deutsch-Südwestafrika und einen (!) gefallenen Trainsoldaten bei der Niederschlagung des Boxeraufstands erinnern. Dies führte dazu, dass das Kriegerdenkmal zum Kolonialdenkmal umgedeutet wurde, obwohl es sonst keine kolonialen Bezüge enthält, und entsprechend seit den 1980er Jahren problematisiert wurde. Kam es in Südwest nicht zum Völkermord an den Herero und Nama?  Müsste es nicht mit Erklärtafeln versehen werden, die nicht an deutsche Opfer, sondern an die afrikanischen Opfer der Deutschen erinnern, oder sogar umgestaltet werden? Die Verwaltung der Stadt setzte lange

Lara Favaretto: Momentary Monument

Widerstand gegen solche Projekte entgegen und verwies darauf, dass das Train-Denkmal eine historische Quelle sei, die sich unverändert dem Urteil der Geschichte stellen müsse. Auch verwahrte sich die Bundesregierung noch bis 2015 gegen die Einordnung der Kriegsgreuel in Südwestafrika (heute Namibia) als Völkermord. Schon 2010 war aber ein Antrag der SPD in Münster erfolgreich, das Train-Denkmal mit einer erläuternden Hinweistafel zu versehen, die daran erinnert, dass „viele Hererofamilien in die Wüste gezwungen wurden, wo sie elend zu Grund gingen“. Das Wort „Völkermord“ wurde also vermieden. „Wir gedenken auch der zehntausenden Toten der unterdrückten Völker“, heißt es weiter. Das „auch“ hat ein Schmierfink, der der gefallenen deutschen Soldaten nicht mehr gedenken will,  mit Bedacht durchgestrichen und ein „heute“ darüber gesetzt.

Im Rahmen der laufenden Skulptur-Projekte 2017 setzte die Künstlerin Lara Favaretto ihr Kunstwerk „Momentary Monument – The Stone“ als Replik auf das Train-Denkmal am Ludgerikreisel. Es soll als eine Art Spardose für Menschen in Abschiebehaft verstanden werden, der Stein enthält einen entsprechenden Schlitz zum Einwerfen von Geld. Nach dem Ende der Skulptur-Projekte wird „The Stone“ jedoch wieder abgetragen, sodass dem Groll und den Schuldgefühlen(?) der Train-Denkmal-Gegner nicht dauerhaft entsprochen wird. Schon abgeräumt wurde die Kunst-Guerilla-Aktion „Proud America“ von Christian Nachtigäller, der zu Beginn der Skulptur-Projekte das Train-Denkmal mit einem Lattengerüst und einem Fass in den Nationalfarben der USA ergänzte, die offenbar nach Lesart des Künstlers die koloniale Tradition des Westens fortführen. Es bleibt offen, ob dem Train-Denkmal weitere „Umgestaltungen“ und „Ergänzungen“ drohen oder es seinen Frieden als vergessenes historisches Relikt wieder finden darf.

Weiterführende Links:

Eine vollständige Dokumentation des Kriegerdenkmals findet sich hier.

Wortwörtlich steht auf den Bodentafeln: „Es starben den Heldentod für Kaiser und Reich“. Dies erregt heute die Gemüter als Ausdruck übertriebener Heldenverehrung, bedeutet aber lediglich, sie sind „gefallen“ im Sinne von „im Kampf gestorben“.

Ein Beitrag für Radio Q hat 2015 die Kontroverse um das Train-Denkmal umfassend dargestellt.