Das alte Traindenkmal an der Promenade in der Nähe des Ludgerikreisels ist in übler Weise mit einer teerartigen Flüssigkeit und Schriftzügen beschmiert worden. Die Täter dieser Sachbeschädigung von einer Initiative „Mahnmal statt Denkmal“ brüsteten sich namentlich in der Lokalpresse mit ihrem Vorgehen gegen das Kriegerdenkmal, das, anders als in WN und MZ dargestellt, vornehmlich an Gefallene einer Nachschubeinheit im Ersten Weltkrieg erinnert. Nachträglich eingefügte Bodenplatten erinnern auch an zwei Gefallene in Südwestafrika, was den heiligen Zorn der Aktivisten erregt. Die Stadt hat mittlerweile Strafanzeige erstattet und will das Monument zeitnah reinigen lassen, so Ordnungsdezernent Wolfgang Heuer (SPD).
Der unüberlegte Aktionismus der Gruppe erregt Kopfschütteln, da der Rat der Stadt Münster erst kürzlich beschlossen hat, die zahlreichen Kriegerdenkmäler im Stadtgebiet mit erläuternden und einordnenden Tafeln zu versehen. Sicher wird bald auch das Traindenkmal mit einer Tafel versehen werden, die die aktuelle Bewertung der Ereignisse während und nach der Niederschlagung des Hereroaufstands als Völkermord wiedergibt und auch sonst auf dem neuesten historischen Stand ist. Schon jetzt kann sich der interessierte Bürger auf einer Internetseite der Stadt zuverlässig über den Kontext der Kriegerdenkmäler in der Stadt informieren.
Ratsherr Stefan Leschniok (CDU) meint: „Der Rat hat sich, wie ich finde, für ein gutes Konzept entschieden, das Geschichte nicht einfach abräumt, gleichzeitig aber auch die negativen Seiten beleuchtet. Wer das nicht akzeptieren kann und dann auch noch Straftaten begeht, der offenbart ein höchst verkümmertes Demokratieverständnis.“
Leider sind in Deutschland Kriegerdenkmäler schon seit langer Zeit und schon vor dem derzeitigen Erstarken der Black-Lives-Matter-Bewegung und dem weltweiten Sturz von Denkmälern Gegenstand aller Arten von Vandalismus. Pauschal werden deutsche Soldaten als „Kriegsverbrecher“ verunglimpft, ganz gleich, ob ihnen konkrete Kriegsverbrechen nachgewiesen werden können oder nicht, ihr Andenken soll aus der Öffentlichkeit verschwinden, so wollen es die Täter oft, so auch hier. Auch gefallene deutsche Soldaten sind aber zu Recht Teil unserer Erinnerungskultur, die allen Opfern von Krieg, Gewalt und Imperialismus gedenkt. Wahrscheinlich wird es auch bald in größerem Maßstab Denkmäler geben, die an die zivilen Opfer des Kolonialismus in einst unterworfenen Gebieten erinnern werden.
Im bundesweiten Maßstab kann man nicht sagen, dass Deutschland in unerträglicher Weise mit alten Denkmälern überfrachtet wäre, die Krieg, Nation, Kaiserzeit oder Kolonialismus rühmen. Im Zweiten Weltkrieg und danach ist vieles zerstört worden, entweder durch Bombenangriffe, weil es die Nazis eingeschmolzen haben, um daraus Kanonen zu machen, oder weil es die einrückenden Siegermächte entfernt haben. Auch in Münster stand z.B. einmal eine Kaiser-Wilhelm-Reiterstatue vor dem Schloss, die dem Rohstoffmangel der deutschen Rüstungsindustrie zum Opfer fiel. Das Traindenkmal ist mit seinem seltenen imperialistischen bzw. kolonialen Bezug auf den Boxeraufstand und den Hereroaufstand eine echte Rarität und steht daher zu Recht unter Denkmalschutz. Mit seinem düsteren Erscheinungsbild erinnert es noch heute angemessen an das bedrückende Szenario der Schützengräben des 1. Weltkriegs. Die als überhöht kritisierbaren Inschriften, mit denen die gefallen Soldaten von ihren überlebenden Kameraden gerühmt wurden, sind ein interessantes Zeitdokument für die Bewältigungsversuche des 1. Weltkriegs in den 1920er Jahren, können aber ohnehin nur bei nahem Herantreten entziffert werden, gleich ob sie mit Farbe übergossen werden oder nicht.
Münster besitzt als einst bedeutende Garnisonsstadt zwar recht viele Kriegerdenkmäler, die zuweilen den Anstoß einer oft kritisch eingestellten Bürgergesellschaft einer großen Universitätsstadt erregen, jedoch kann man dieser auch zumuten, verständig und nicht vandalistisch oder bilderstürmerisch mit der Geschichte umzugehen.
Denn wer die Geschichte vergisst, ist dazu verdammt, sie zu wiederholen.